Am Dienstag, den 21. Oktober, fand die 28. Ausgabe des bekannten Netzwerk-Formats von sportsbusiness.at statt. Dieses Mal widmete sich die Sport-B2B-Plattform gemeinsam mit den Erste Bank Open einem ganz wichtigen Thema: Inklusion im Sport – Rollstuhltennis als Best Practice.
Was vor Jahren als Vision von Herwig Straka für Rollstuhltennis begonnen hat, wird nun gemeinsam mit Premium Partner win2day, das die Initiative ergriffen hat, um Rollstuhltennis in die Erste Bank Open zu integrieren, nun auf eine neue Ebene gehoben: Erstmals wird im Rahmen der Erste Bank Open ein Rollstuhltennisturnier veranstaltet.
Inklusion im Sport nimmt eine immer zentralere Rolle ein: Für den Sport an sich, für Medien und auch Sponsoren. Wurde Inklusion früher oftmals noch als Feigenblatt vor sich hergetragen, nehmen die Erste Bank Open eine Vorreiterrolle ein. Doch welche Potenziale werden damit geweckt? Wie kann Inklusion im Sport im Rahmen eines millionenschweren Tennisturniers funktionieren? Wie können Sponsoren dieses Thema vorantreiben? Und: Wie können Sportler:innen davon profitieren?
In einer hochkarätigen Podiumsdiskussion sprachen darüber Nico Langmann (Rollstuhltennisspieler, Paralympics-Teilnehmer, playing ambassador), Thomas Muster (ehemalige Nr. 1 der Tennis-Weltrangliste), Herwig Straka (CEO & Founder e|motion group, Turnierdirektor Erste Bank Open), Esther Vergeer (ehemalige Nr. 1 der Rollstuhltennisweltrangliste, Gewinnerin Laureus World Sports Awards), Georg Wawer (Managing Director win2day) und Roman Zechmeister (ÖTV-Inklusionsleiter). Moderiert wurde der Event von ServusTV-Moderatorin Andrea Schlager.
Video: Die Highlights des 28. sportsbusiness.at Breakfast Club
Die besten Fotos:
























Die besten Aussagen:
Esther Vergeer (ehemalige Nr. 1 der Rollstuhltennisweltrangliste, Gewinnerin Laureus World Sports Awards) über …
… ihren Weg zum Sport: „Seit ich acht Jahre alt bin, bin ich gelähmt. In der Reha bin ich mit Sport in Kontakt gekommen. Irgendwann habe ich mit Tennis und Basketball angefangen. Da konnte ich noch nicht damit rechnen, dass ich Nummer eins werde oder Gold gewinne – ich hatte keine Vorbilder. Ich habe schlichtweg das Spiel geliebt und hatte das Gefühl, dass ich stärker werde. Später wurde der Nationalteamtrainer auf mich aufmerksam und er meinte, ich könnte das sehr gut. Er sah etwas Positives in mir und das war der Trigger, den Sport zu machen.“
… den Unterschied zwischen Tennisspieler:innen mit und ohne Behinderung: „Es waren zwei Welten. Aber je mehr ich mich entwickelte und Arbeit hineinsteckte, wollte ich dieselbe Expertise wie die anderen. Und ich fragte mich, warum sie mehr Aufmerksamkeit bekommen. Ich wollte, dass wir öfters gemeinsam auftreten. Rollstuhltennis ist Teil des Tennisverbandes – ein Glück, dass wir gleich behandelt werden.“
… Entwicklung im Rollstuhltennis bei „ihrem“ ABN AMRO World Wheelchair Tennis Tournament: „Es waren die Turniere, die Rollstuhltennis wollten. Am Anfang war es eine Exhibition, um zu sehen, wie die Spieler:innen, Fans, Hotels, etc. darauf reagieren. Diese Erfahrungen müssen gemacht werden. Man muss die Fans überzeugen. Wenn sie einmal kommen, dann finden sie es super, wie die Athlet:innen taktisch spielen und sich bewegen. Nach zwei Jahren wollten wir ein offizielles Turnier machen.“
… das Turnier als Businessmodell: „Am Anfang war es wohl mehr im Bereich CSR, nach Studien und Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Menschen den Hauptsponsor positiver sehen. Aber wir verkaufen keine Tickets rein für Rollstuhltennis. Es wertet aber das Event insgesamt auf.“
Nico Langmann (Rollstuhltennisspieler, Paralympics-Teilnehmer, playing ambassador) über …
… Entwicklung im Rollstuhltennis: „Wir sehen, wie viel sich getan hat. Ich schwimme mit, denn es ist nicht mein Verdienst, dass Rollstuhltennis so groß ist. Es gibt Menschen, die unserem Sport eine Bühne bieten wollen. Letztes Jahr haben wir es am Center Court probiert – da hat man schnell gesehen, welches Potenzial es gibt. Gemeinsam sind wir im Februar nach Rotterdam zum Turnier gefahren. Ich hatte den Unfall mit zwei Jahren, ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich hier auf der größten Tennisbühne Österreichs spiele. Ich kenne die paralympischen Spiele auch erst seit 2008. Tennis habe ich immer gespielt und war immer in der Stadthalle. Und jetzt habe ich mein erstes Erste-Bank-Open-Spielerbadge – das behalte ich mir noch lange.“
… Berührungsängste: „Ich habe das Gefühl, dass es eine gute Zeit ist, behindert zu sein. Das klingt vielleicht zynisch, aber nach meinem Unfall 1999 war ich „unsichtbar“. In diesen 26 Jahren hat sich sehr viel getan, obwohl das eigentlich eine kurze Zeit ist. Die Sichtbarkeit ist unglaublich wichtig. Und Inklusion? Als ich klein war, kannte man das gar nicht. Man sieht es ja: Es ist heute hier neun Uhr in der Früh und die Leute reden über Rollstuhltennis. Das zeigt den Impact. Wenn heute ein anderer kleiner Nico fernsieht oder hierherkommt, sieht er Gehende und Rollstuhlfahrer:innen Tennis spielen und erkennt, was alles möglich ist. Das schafft Selbstwert und dass man sich hier voll angenommen fühlt. Die Leute schauen hin und werden für Rollstuhltennis sensibilisiert – ohne dass es aufs Auge gedrückt wird. Es kommt einfach natürlich.“
… die Turnierwoche: „Ich freue mich auf meine Matches. Wenn ich sehe, wie die Menschen mitfiebern, ist das toll. Schlafen kann ich nicht mehr so gut, aber das gehört dazu.“
Georg Wawer (Managing Director win2day) über …
… den Equal Play Day: „Unsere Strategie lautet Chancengleichheit. Wir sind Teil der Österreichischen Lotterien, das bedeutet, jede und jeder hat die gleichen Chancen, bei uns zu gewinnen. Der Lottokugel ist es egal, ob man Frau oder Mann, im Rollstuhl sitzend oder gehend ist. So machen wir es im Sport auch. Das bedeutet, dass wir im Sponsoring den Ansatz verfolgen, Männer und Frauen, mit und ohne Behinderung zu unterstützen – egal ob im Eishockey, Beachvolleyball oder einer anderen Sportart. Wir machen keinen Unterschied. Turns out: Die Medien machen einen Unterschied. Sportlerinnen sind dort statistisch betrachtet ab dem 20. Februar nicht mehr sichtbar. Darum haben wir den Equal Play Day ins Leben gerufen. Behindertensport ist übrigens ab dem 1. Jänner ab zehn Uhr unsichtbar.“
… die Vision für Wien: „Wir teilen dieselbe Vision. Mit den Möglichkeiten hier in St. Marx wäre es sogar möglich, zusätzlich ein Frauen-Turnier zu veranstalten. Ein gutes Produkt verkauft sich – Rollstuhltennis ist ein tolles Produkt, deshalb wird es funktionieren. Wir wollen in den nächsten Jahren gemeinsam mit unseren Partnern die Erste Bank Open weiter entwickeln.“
… Möglichkeiten von Sponsoren: „Das ATP 500 hier in Wien ist nicht irgendein Turnier, sondern das Leitevent in Zentraleuropa. Wenn man sieht, dass es hier funktioniert, ist das ein Vorbild. Bei der Exhibition im Vorjahr waren 4.000 Menschen.“
Thomas Muster (ehemalige Nr. 1 der Tennis-Weltrangliste) über …
… Berührungspunkte mit Rollstuhltennis: „In der Reha habe ich auf einem Holzgestell gesessen, die Bälle kamen aber zu mir. Aber sich im Rollstuhl zum Ball zu bewegen und einen Gegner zu haben – das ist unglaublich. Ich bin rein gekippt. Man muss sich dem Sport öffnen. Je sichtbarer dieser Sport ist, desto mehr Begeisterung gibt es. Sie verdienen Respekt, sie fighten, sie kämpfen.“
… das Event und Medien: „Du kommst her und alle können den ganzen Tag hier verbringen. Wichtig ist, dass wir den Menschen die Angst nehmen, hinzuschauen. Es geht schon darum, das Event schmackhaft zu machen. Das kostet natürlich, aber wir geben so viel Geld sinnlos aus, das müssen wir ändern. Dann wird es auch Unternehmen geben, die hier investieren wollen. Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, aber es geht noch viel mehr.“
Herwig Straka (CEO & Founder e|motion group, Turnierdirektor Erste Bank Open) über …
… Berührungspunkte: „Esther und Nico sind tolle Botschafter:innen. Mein erstes Turnier war sogar ein Rollstuhltennisturnier Ende der 80er-Jahre in Graz. Martin Legner war damals ein Top10-Spieler. Mich freut es sehr, dass win2day mit Georg Wawer zu uns gestoßen ist. Es gibt Einzel, Doppel, alle spielen im gleichen Umfeld, egal ob Jannik Singer oder Nico Langmann. Das wollten wir erreichen und haben es auch geschafft.“
… Wirtschaftlichkeit von Rollstuhltennis: „Alleine losgelöst trägt es sich nicht, aber als Gesamtidee schon, dafür muss es größer werden. Wir machen es aber nicht deswegen, sondern weil wir es gut machen wollen, dann rechnet es sich auch.“
… mediale Berichterstattung: „Medien reagieren auf Nachfrage. Wenn diese da ist, werden sie es übertragen. Diese Nachfrage muss aber generiert werden. Das Finale ist auf ORF Sport+ am Samstag. Vielleicht hat man früher auch den Fehler gemacht, die Gleichheit künstlich herzustellen. Nun hat man es auf natürliche Art erreicht und dann zeigen es die Medien auch.“
… Erfahrungen von Menschen im Rollstuhl: „Ich war mit Nico in Amsterdam, er ist große Umwege gefahren, um zum Aufzug zu kommen. Für ihn ist das aber „normal“. Das hat mir die Augen geöffnet. Noch ein Beispiel: Es gab hierzulande auch keinen Duschcontainer für Rollstuhlfahrer:innen – also haben wir ihn gebaut und gekauft.“
… die Zukunftsvision: „Die passiert schon. Ich möchte, dass wir noch größer werden und es ein großes Rollstuhlturnier und ein Frauen-Turnier haben.“
Roman Zechmeister (ÖTV-Inklusionsleiter) über …
… österreichischen Behindertensport: „Wir wachsen, dank unserer Sponsoren. Die Nico Langmann Foundation stellt Rollstühle zur Verfügung. Ich hatte meinen Unfall vor 20 Jahren, da musste ich kämpfen. Heute bin ich sehr dankbar, Rollstuhltennis zu repräsentieren.“
… Probleme im Behindertensport: „WC-Anlagen, Duschen, Rampen, Aufzüge, Reisen – das ist schwieriger. Für uns (im Rollstuhl, Anm.) ist das „normal“. Das alles sollte 2025 aber möglich sein.“