(c) Sport Austria / Leo Hagen
Die Corona-Pandemie hat Österreichs Sport-Community stark zugesetzt. Wie sehr, zeigt nun eine umfassende – von Sport Austria unterstützte – Studie „aktives Sportverhalten und passiver Sportkonsum“ durch die OBSERVER Brand Intelligence GmbH.
Bei der Pressekonferenz am 21.12.2020 erläuterten dazu Sport Austria-Präsident Hans Niessl, ASVÖ-Präsident Christian Purrer, SPORTUNION-Präsident Peter McDonald und ASKÖ-Präsident Hermann Krist die aktuelle Situation des organisierten Sports in der Pandemie: Wie gelingt die Bewältigung der Corona-Krise? Warum braucht es ein starkes Comeback des Sports?
Um die Auswirkung der aktuellen Gesundheitskrise auf den Sport aufzuzeigen, wurden im Oktober 2020 2000 Personen aus allen demographischen Gruppen (regional, Einkommen, Alter, Geschlecht) repräsentativ befragt. Das Ergebnis auf den Punkt gebracht: Sport ist für einen Großteil der Bevölkerung (66%) wichtig, hat aber besonders gelitten. Die aktive Ausübung sowie der passive Konsum sind zurückgegangen. Schlecht für die Gesundheit, schlecht für die wirtschaftliche Situation des Sports in Österreich. Aktuell arbeitet Sport Austria mit den Dach- und Fachverbänden sowie dem Sportministerium an einem Weg aus der Krise.
Die sportliche Aktivität hat sich insgesamt über alle Altersgruppen verschlechtert. Im Beobachtungszeitraum (Oktober 2020 noch vor dem 2. Lockdown) haben knapp ein Drittel der Befragten (28 %) weniger Sport betrieben als zuvor! Das Sport- und Freizeitverhalten hat sich also durch Lockdown-Erfahrungen und die weiteren tatsächlichen und empfundenen Einschränkungen massiv verändert. Bemerkenswert ist, dass Frauen ihre sportliche Aktivität signifikant ausgebaut haben: 22 % gaben an, mehr Sport aktiv betrieben zu haben, während dies bei nur 17 % der Männer der Fall war. Auffallend: Mehr als doppelt so viele über 70-Jährige haben sich weniger bewegt als unter 29-Jährige mehr Sport betrieben haben. Ein interessantes Ergebnis gibt es auch beim medialen Sport-Konsum: Während Sport im TV um 10 % mehr konsumiert wurde, hat der Sport-Streamingbereich um 9 % Punkte abgenommen. Dieser ist vor allem für kleinere Sportarten von größerer Bedeutung. Weniger überraschend: Sportveranstaltungen wurden von den Befragten um 59% seltener besucht als in Vorkrisenzeiten.
Mit einem Wertschöpfungs-Minus von mindestens 30 Prozent im Jahr 2020 wird der durch das Corona-Virus verursachte Schaden in der Sportwirtschaft knapp viermal höher als in der Gesamtwirtschaft ausfallen. Insgesamt stehen rund 90.000 Arbeitsplätze (indirekt 300.000) im gesamten Netzwerk Sport auf dem Spiel. Für 3 von 4 Vereinen spiegelt sich die Pandemie in reduzierten Einnahmen wider, für mehr als jeden zweiten Verein bedeutet das, dass auch die Ausgaben unmittelbar reduziert werden müssen. Insgesamt wird der Schaden – allein bei den Vereinen – bei mindestens 175 Mio. Euro liegen.
Anfang Juli wurden die Richtlinien dafür geschaffen, dass gemeinnützige Sportorganisationen (Vereine, Verbände) im Rahmen des NPO-Fonds Unterstützungsleistungen beantragen können. Eine wichtige Unterstützungsmaßnahme, die am vergangenen Donnerstag von der Regierung verlängert und verbessert wurde. Der Struktursicherungsbeitrag für das 4. Quartal 2020 liegt nun bei 7% der Jahreseinnahmen von 2019 (maximal 90.000 Euro). Das entspricht einer De-facto-Verdoppelung der bisherigen Leistung. Zusätzlich wurde ein großer Wunsch des organisierten Sports erfüllt: Für die Zeit des Lockdowns erhalten Österreichs gemeinnützige 15.000 Sportvereine einen „Lockdown-Zuschuss“, vergleichbar mit dem Umsatzersatz, den Wirtschaftsbetriebe bekommen. Bis jetzt haben 4259 Sportvereine (ohne Profiligen, für sie sind 35 Mio reserviert) 45,2 Millionen Euro zugesagt bekommen, 38,9 Millionen wurden inzwischen ausbezahlt. Das sind 30 % der Gesamtauszahlungen aus dem NPO-Fonds.
Wie wichtig ein gut funktionierender Breiten- und Spitzensport für Österreichs Volkswirtschaft ist, zeigen zwei Kennzahlen: Mit einem Anteil von 5,75% wird im Netzwerk Sport ein Wertschöpfungsbeitrag erwirtschaftet, der mit jenem der Bauwirtschaft und des Tourismus vergleichbar ist. Jeder 14. Arbeitsplatz wird derzeit unmittelbar oder mittelbar durch die Sportbranche abgesichert. Außerdem ist der Sport mit 7,1 Mrd. an fiskalischen Abgaben für 3,7% der staatlichen Einnahmen verantwortlich. Im Gesundheitsbereich ersparen Sport und Bewegung dem Staat in Normalzeiten jährlich rund 530 Millionen Euro, Unfallkosten bereits abgezogen. Und dies, obwohl die Bewegungshäufigkeit der Bevölkerung noch stark ausbaufähig wäre: denn bereits vor der Krise haben sich 30 Prozent der Österreicher nicht ausreichend bewegt, waren außerdem 30 Prozent der Kinder fettleibig und adipös. Würden sich nur 10% der Bevölkerung mehr bewegen, kämen weitere 100 Millionen Ersparnis pro Jahr dazu. Da die Observer-Studie aber zeigt, dass sich krisenbedingt rund 28 % weniger bewegen, muss hier stark gegengesteuert werden. Aus Zahlen der Statistik Austria ist abzuleiten, dass in Österreich schon jetzt pro Jahr rund 7800 Menschen an den Folgen von Bewegungsmangel sterben.
Sport Austria-Präsident Hans Niessl: „Um diese Krise bewältigen zu können, benötigen wir Planungssicherheit für die Vereine, eine Fortsetzung der finanziellen Unterstützung für den Breiten- wie für den Spitzensport, solange es durch die Pandemie Einschränkungen gibt, Kostenersatz für Schnelltests und die Aufnahme von SpitzensportlerInnen und Ehrenamtlichen – auf freiwilliger Basis – in den staatlichen Impfplan. Wichtig ist auch, dass jetzt eine objektive Aufklärungskampagne zur Impfung begonnen wird. Dass sich 28% weniger bewegen als vor Ausbruch der Gesundheitskrise, ist ein Alarmsignal! Daran sieht man, wie sehr die Vereine als Motivatoren aktuell fehlen. Nun geht es um die Gesundheit des Einzelnen genauso wie um volkswirtschaftliche Folgekosten! Hier müssen wir konsequent gegensteuern. Deshalb entwickelt Sport Austria mit den Dach- und Fachverbänden in einer Taskforce Maßnahmen, die den Vereinssport als Gesundheits- und Wirtschaftsmotor wieder ankurbeln sollen, sobald das Virus unter Kontrolle gebracht worden ist. Für dieses Sport-Comeback müssen wir in sämtliche – den organisierten Sport betreffende – Schritte durch die Bundesregierung vorab einbezogen werden: insbesondere beim Wieder-Hochfahren des Sportbetriebs! Wir wollen aber nicht nur Kollateralschäden für die Gesundheit und die (Sport-)Wirtschaft bestmöglich vermeiden, sondern nach der Krise stärker denn je zurückkommen. Nach der Pandemie benötigen wir deshalb eine Bewegungsoffensive, um den Virus-Folgeschäden den Laufpass zu geben!“
ASVÖ-Präsident Christian Purrer: „Die Sportvereine haben sich im ersten Lockdown als kreativ und größtenteils krisenfest erwiesen und konnten dank der Mittel aus dem NPO-Fonds die Einschränkungen im Sportbetrieb verkraften. Der für unsere Gesellschaft so wichtige Vereinssport mit seinen vielen Freiwilligen muss aber auch langfristig mit gezielten Maßnahmen gestärkt werden. Dazu schlage ich eine moderate Anhebung der pauschalierten Reiseaufwands-Entschädigung (PRAE) vor. Diese Regelung schafft gerade im Breitensport Rechtssicherheit für die Tätigkeit vieler engagierter Menschen und die Möglichkeit etwas Geld dazuzuverdienen. Die PRAE wird unbürokratisch abgewickelt, was sehr positiv ist. Allerdings stammt die Regelung von maximal 540 Euro monatlich von 2009 und ist daher nicht mehr zeitgemäß. Wir fordern die Bundesregierung daher dazu auf, die pauschalierte Reiseaufwands-Entschädigung anzuheben. Das wäre ein wesentlicher Impuls zur Unterstützung unserer ÜbungsleiterInnen und TrainerInnen.“
SPORTUNION-Präsident Peter McDonald: „Österreichs Sport hat ein herausforderndes Jahr hinter sich, daher war es mir besonders wichtig, für gezielte Unterstützungen zu kämpfen, um 100 Prozent der Sportvereine durch die Krise zu bringen. Die SPORTUNION ist aus Tradition innovativ. Aus diesem Spirit heraus und mit der Kraft unseres Vereinsnetzwerks entstand die größte digitale Sportoffensive Österreichs mit über 100.000 Teilnehmenden monatlich. Nur so konnten wir unserer Mission treu bleiben und Menschen auch in diesen schwierigen Zeiten bewegen! Trainerinnen und Trainer sowie Betreuerinnen und Betreuer übernehmen wesentliche Aufgaben für unsere Gesellschaft, sie sind das Rückgrat des Sports. Wie bei den Lehrkräften braucht es einen klaren Zeitplan mit einem priorisierten Zugang zu Testungen und Impfungen. Rund 15.000 Sportvereine brauchen bundesweit mehr Planungssicherheit, damit Österreich wieder flächendeckende Sportangebote nutzen kann und ein starkes Comeback in allen Lebensbereichen erlebt.“
ASKÖ-Präsident Hermann Krist: „Ständig wechseln Vorgaben, ständig herrscht massiver Erklärungsbedarf. Die ASKÖ denkt vorrangig an das Ermöglichen und Nutzen von Chancen. Daher muss es mehr Hausverstandsentscheidungen geben, unter Einbindung der PraktikerInnen aus dem organsierten Sport. Der Sport war sofort bereit, Covid-Konzepte auszuarbeiten, sich an alle Regeln zu halten und Covid-Beauftragte auszubilden. Laut AGES gab es keine problematischen Cluster im Breitensport, weder outdoor noch indoor. Wurden Infektionen bekannt, wurden Training oder Wettkämpfe unterbrochen. Der Spitzensport zeigt uns das vorbildlich. Es gibt fast in jeder Sportart Möglichkeiten, sich innerhalb der Corona-Regeln zu bewegen. Wir stehen auch zur Teststrategie, je öfter umso besser. Unser Credo war von Anfang an: Wir wollen Menschen bewegen dürfen, vor allem outdoor. Daher fordern wir, Sportstätten zu öffnen/offen zu halten und Bewegung in Kleingruppen zuzulassen. Wir fordern aber auch, dass bei Veranstaltungen Schnelltests für Besucher zugelassen werden. Die Kosten sollen von der Regierung übernommen werden. So könnte man beim Wettkampfsport wieder Einnahmen lukrieren. Zudem stärkt das den Arbeitsmarkt, weil viele aus der Veranstaltungsbranche wieder Beschäftigung bekämen. Eine Win-Win-Situation.“
Die Observer-Studie im Detail
In der Studie von Oktober 2020 wurden 2000 Personen über die Bedeutung von Sport in Ihrem Leben befragt. 66 % gaben an, dass Sport eher wichtig in ihrem Leben ist. 24 %, dass er sehr wichtig für sie ist. Bei Männern war die Aussage noch stärker (70 %) als bei Frauen (61 %), wobei der Unterschied relativ gering ist. Der Abstand bei sehr wichtig ist deutlicher (27 vs. 17 %).
Noch signifikanter ist die Bedeutung für die unter 29-Jährigen. Wobei die Bedeutung in der Alterspyramide in Summe abnimmt. Allerdings bleibt die Veränderung bei der Zuordnung „sehr wichtig“ ab 29 Jahren konstant. Der ebenfalls abgefragte Geburtsort in oder außerhalb Österreich zeigt eine etwas höhere Bedeutung des Sports unter den nicht in Österreich geborenen Personen, wobei dies auch durch die etwas jüngere Altersstruktur beeinflusst ist.
Das Sport- und Freizeitverhalten hat sich massiv verändert durch die mehrfachen Lockdown-Erfahrungen und die weiteren tatsächlichen und empfundenen Einschränkungen. Die Befragung hat Anfang Oktober noch vor dem zweiten großen Lockdown stattgefunden. Damit war sie in einem eher günstigen Umfeld mit den Erfahrungen des relativ unbelasteten Sommers als Hintergrund. Somit ist davon auszugehen, dass eine Befragung heute wohl noch deutlich größere Einschränkungen zeigen würde.
Knapp ein Drittel der Befragten (28 %) haben weniger Sport betrieben. Dieser Anteil ist über alle demographischen Gruppen ähnlich. Demgegenüber steht ein uneinheitlicheres Bild von Personen, die angeben mehr Sport betrieben zu haben. Die einzigen, die den Saldo ins Plus drehen können, sind die unter 29-Jährigen. Alle anderen Gruppen haben einen negativen Saldo. Besonders stark betroffen sind die 50 bis 69-Jährigen und vor allem die über 70-Jährigen, wo nur 14 bzw. gar nur 5 % angegeben haben, mehr Sport betrieben zu haben.
Bemerkenswert ist, dass Frauen signifikant ihre sportliche Tätigkeit ausgebaut haben. 22 % gaben an, mehr Sport aktiv betrieben zu haben, während dies bei nur 17 % der Männer der Fall war. In der Darstellung des Saldos zeigt sich nochmals deutlich das negative Bild, das durch Corona und die verhängten Maßnahmen entstanden ist.
Ein differenziertes Bild zeigt sich beim passiven Sport, also dem Konsum von Sport in den Medien und live. Sportveranstaltungen wurden zu 59 % seltener besucht, wobei es immerhin 3 % gab, die den Besuch ausgebaut haben. Nicht abgefragt wurde das Niveau vor den Corona-Maßnahmen, somit sind diese 3 % auch eine Plausibilisierung der Daten. Der Sport-Konsum im linearen Fernsehen wurde getrennt von den Video-Streamingdiensten unterschieden abgefragt. Gerade für Sport-Interessierte ist das Angebot hier sehr stark. Einerseits in den Breitensport-Arten, aber auch im Bereich vom Interesse an Sportarten, die es seltener ins Primetime-Fernsehen schaffen oder in Österreich weniger Aufmerksamkeit bekommen.
Immerhin 18 bzw. 25 % geben an weniger konsumiert zu haben, was vor allem an den fehlenden Gelegenheiten wegen Veranstaltungsabsagen lag. Diese betreffen die Sportarten, die Sportler und Veranstalter wirtschaftlich ganz besonders hart. Für die Sportarten, die stattfanden und auch übertragen wurden, wurde von 28 % im TV mehr Zeit investiert. Das zeigt, dass das Bedürfnis und Zeit jeweils vorhanden waren und auf ein verknapptes Angebot stießen. Interessanterweise konnte Streaming weniger davon profitieren und hat auch einen negativen Saldo (- 9 %Punkte) im Vergleich zum linearen Fernsehen (+ 10 %Punkte).
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