Eine studentische Studie der Forschungsinitiative zu Sport und Management (RISM) an der Wirtschaftsuniversität Wienuntersuchte den Zusammenhang zwischen direktem Feedback des Umfeldes in Form von Publikumspräsenz und Team Performance im Profisport.
Von Lukas Eibel, Jakob Müllner / Wirtschaftsuniversität Wien
Sport ist eine ideale Testumgebung, um management-relevante Verhaltensfragen zu untersuchen. Es gibt nur wenige Bereiche, in denen Leistung von Individuen und Teams besser gemessen werden kann als im Sport. Eine spannende Fragestellung hierbei betrifft die Rolle von direktem Feedback durch Publikum auf die individuelle und kollektive Leistung. Die COVID-19 Pandemie sorgte hierbei für ein wissenschaftlich wertvolles, natürliches Experiment, da die meisten Sportligen der Welt dazu gezwungen wurden, den Spielbetrieb hinter verschlossenen Türen fortzusetzen. Vor der Pandemie war die Stichprobe an „Geisterspielen“ (Spiele ohne anwesende Fans) zu klein für eine detaillierte wissenschaftliche Untersuchung zu Publikumseffekten.
Die Erforschung von Geisterspielen ist nicht nur für den Sport, sondern auch für Wirtschaft und Politik von Bedeutung, da es in der Regel schwierig ist, Verhaltensaspekte wie Gruppenzwang und die Auswirkungen von direktem Feedback im wirtschaftlichen Kontext zu messen. Es ist nicht bekannt, wie der wahrgenommene soziale Druck die Unternehmensrelevante Prozesse beeinflussen kann (z.B. Entscheidungsfindung von Führungskräften). Norman Triplett beschrieb bereits 1898 das Konzept von „Social Facilitation“, als er beobachtete, dass sich die Leistung von Radfahrern verbesserte, wenn sie in einer Gruppe trainierten. Dieses besagt, dass die Entscheidungsfindung und das Leistungsniveau von Einzelpersonen durch die tatsächliche, eingebildete oder implizierte Anwesenheit anderer beeinflusst wird.
In der darauf aufbauenden wissenschaftlichen Literatur im Sport wurden in weiterer Folge fünf Gründe identifiziert, die für den so oft zitierten Heimvorteil ausschlaggebend sind. Dabei handelt es sich um Territorialität, Ortskenntnis, Schiedsrichterbeeinflussung, physische Faktoren und den Zuschauereffekt, der im Mittelpunkt dieses studentischen Forschungsprojektes steht. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es schwierig, diese unterschiedlichen Effekte auf den Ausgang eines Spieles zu testen zumal ihre Einflüsse sehr schwer voneinander zu trennen sind. Aus diesem Grund waren sich Studien vor der COVID-19 Pandemie nicht einig, ob das Publikum einen positiven Einfluss auf die Leistung der Heimmannschaft hat oder der Heimvorteil ein Resultat der anderen genannten Faktoren ist. Die COVID-19 Pandemie und die damit einhergehenden Geisterspiele erlauben es aber, den Effekt von Publikum empirisch zu trennen.
Um dieses natürliche Experiment zu nutzen, wurden in dieser studentischen Arbeit Daten zu Fußball, Basketball und American Football Spielen erhoben. Mit Hilfe verschiedener Sportstatistik-Websites wie transfermarkt.de, basketball-reference.com und pro-football-reference.com wurde ein umfangreicher Datensatz erstellt, der die Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 der fünf führenden europäischen Fußballligen (Premier League, Bundesliga, La Liga, Serie A, Ligue 1) sowie der NBA und NFL umfasst. Der letztendliche Datensatz umfasst Informationen zu 7.263 Spielen bis Ende April 2021. Diese Informationen beinhalten die beiden konkurrierenden Mannschaften, das Endergebnis, die Zuschauerzahlen bzw. den Status Geisterspiel sowie verschiedene Spielstatistiken (z.B. gelbe & rote Karten, Stadionkapazität, Durchschnittsalter, Marktwert).
Die meisten akademischen Arbeiten, die den Zuschauereffekt im europäischen Fußball untersuchten, kamen zu dem Ergebnis, dass während der COVID-19-Geisterspiele die Zahl der Heimsiege und -punkte sowie der Schiedsrichterentscheidungen deutlich abnahm. Die Ergebnisse dieser Arbeit stimmen mit dem Konsens der Post-COVID-19-Literatur überein und zeigen einen signifikanten Rückgang der Siege der Heimmannschaft um 4,75 %.
Die untersuchten Ligen unterschieden sich jedoch drastisch im Ausmaß und in Signifikanz des gemessenen Heimvorteils. Während die spanische La Liga und die französische Ligue 1 einen signifikanten Rückgang der Heimsiege um 7 bzw. 10 % verzeichneten, waren die Ergebnisse für die englische Premier League und die deutsche Bundesliga nicht signifikant. In der italienischen Serie A gab es sogar mehr Heimsiege, wenn hinter verschlossenen Türen gespielt wurde. Allerdings war das Ergebnis höchst insignifikant. Neben der geringeren Häufigkeit von Heimsiegen fand die Studie auch Anzeichen für verändertes Schiedsrichterverhalten in Geisterspielen. In der vorliegenden Arbeit zeigte ein statistisches Modell, dass Schiedsrichter in Geisterspielen um 0,3 weniger rote Karten und um 0,17 weniger gelbe Karten gegen das Auswärtsteam pro Spiel vergeben.
Die Analyse der NBA zeigte in einer weitaus geringeren Stichprobe einen nur insignifikanten Anstieg von Auswärtssiegen von 3% in Geisterspielen gegenüber regulären Spielen mit Publikum. Das Regressionsmodell zeigte aber eine Verringerung der Wurf- und Freiwurfquote des Auswärtsteams um 0,5 % bzw. 1,0 % während der Geisterspiele. Die Heimmannschaft wird der Analyse zufolge nicht signifikant von den Fans beeinflusst. Ähnlich der NBA verzeichnete auch die NFL einen Rückgang der Heimsiege um 5,6 %, der aber keine statistische Signifikanz erreichte. Den Regressionsmodellen zufolge hatte das Publikum auch keinen Einfluss auf Punkte, Yards oder Turnover beider Teams.
Insgesamt unterstreicht diese studentische Studie die oft zitierte Rolle der Fans und des Stadionsupports für Teamperformance. Neu an der Studie ist aber die wissenschaftliche Qualität der Untersuchung und die neuartige Messung des Publikumseffektes durch die COVID-19 Pandemie. In weiteren studentischen Forschungsprojekten soll nun erklärt werden, warum der in dieser Arbeit nachgewiesene Publikumseffekt zwischen Mannschaften so stark variiert. Ziel ist es, durch die Untersuchung von Outliern oder herausragenden Mannschaften Lehren für Sport und Wirtschaft zu ziehen.
Das Projekt „Die Auswirkungen von direktem Feedback und Peer Pressure“ist Teil der Forschungsinitiative zu Sport und Management (RISM) an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ziel der Initiative ist eine akademische Verbindung von Sport und Management in Lehre, Forschung und Praxis. Als Teil der Partnerschaft mit sportsbusiness.at informiert RISM zukünftig einmal monatlich über interessante, praxisrelevante Forschungsergebnisse aus der Welt des Sportmanagements. Haben auch Sie Interesse sich in Universitärer Forschung, Lehre zu engagieren? Kontaktieren Sie uns gerne persönlich (rism@wu.ac.at).