Dynamische Preismodelle kommen immer öfters auch im Tourismus in Österreich zum Einsatz. Welche Vorteile die Branche und Kunden daraus ziehen können, und welche Herausforderungen noch zu meistern sind. Teil 3 von 3.
++ Ein Kommentar in drei Teilen von Markus Redl, CEO ecoplus Alpin GmbH ++
Teil 1: Preisdifferenzierung hat Tradition & Grundprinzip Dynamic Pricing
Teil 2: Onlineticketing & Preissensibilität
5 Vorwurf der Intransparenz
Der Vorwurf der Intransparenz kann bei Dynamic Pricing verschiedene Ebenen betreffen: Einerseits wie ein Preis zustande kommt, sich zusammensetzt, andererseits wie hoch ein Preis im Verhältnis zu anderen Preisen ist bzw. sein wird.
Frappant ist dabei, dass Dynamic Pricing meist riesige Produktkataloge (die sich aus der Kombination der verschiedenen Preisdifferenzierungen ergeben) ablöst. Die meisten Ermäßigungen und Vergünstigungen sind obsolet (Ausnahme oft Kinder- und Jugendtarif), auf Nachfrage nur an der Liftkasse gewährte Rabatte, z.B. aufgrund der Mitgliedschaft bei Autofahrerklubs, fallen gänzlich weg.
Die beim Dynamic Pricing relevanten Faktoren werden von den Skigebieten erklärt; allerdings ist der selbstlernende Algorithmus per Definition nicht starr, soll wie üblich mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (siehe dazu Artificial intelligence and dynamic pricing: a systematic literature review) die Daily Base Rate innerhalb eines definierten Preisbandes immer besser vorschlagen. Eine grundsätzliche Ablehnung des Einsatzes von KI bei der Preisbildung soll wohl Ressentiments bedienen; eine Art „Kontrollverlust“ tritt jedenfalls nicht ein.
Der Konsumentenschutz kritisiert u.a., dass die Höchstpreise nicht bekannt seien, somit Gäste die mögliche Einsparung durch frühe(re) Buchung nicht kalkulieren könnten. Ein im Preissystem hinterlegter Maximalpreis kann sich allerdings wie bereits ausgeführt ändern. Es ist daher heikel, solche geplanten Höchstpreise zu nennen, auch in der Schweiz durchaus kein Standard. Natürlich sollen attraktive Ab-Preise in der Kommunikation glänzen können, nicht erst recht nur ein möglicher Höchstpreis Beachtung finden.
Die verschiedenen Preise sind öffentlich, können jederzeit online abgegriffen werden. Es ist eine Frage der Zeit, bis Informationen zur Preisentwicklung – wie bei anderen Produkten und Dienstleistungen auch – durch sogenannte Preis-Crawler samt Empfehlungen und Prognosen für potenzielle Gäste vergleichbar werden. Für die Skigebiete selbst, genauso wie für die Tourismusstatistik, sind die tatsächlichen Erlöse über einen längeren Zeitraum bzw. die gesamte Wintersaison, allenfalls die kumulierte Anzahl der Besuche und Durchschnittserlöse relevant.
6 Ausblick
Dynamic Pricing wird bei Skigebieten ob der strategischen und wirtschaftlichen Vorteile in den nächsten fünf Jahren auch in Österreich zum Standard. Die Seilbahnwirtschaft ist nicht zuletzt über zahlreiche Ticketverbünde sowie über Banken als Finanzierungspartner (und vielfach Eigentümer) gut vernetzt. Paradoxerweise könnten manche sehr gut verdienende Top-Destinationen bei statischen Preisen bleiben, wobei gerade bei diesen Preiserhöhungen (vor allem, wenn Gäste kurzfristig kaufen) sicherlich möglich und – auch in der Gesamtbetrachtung der Branche – sinnvoll wären.
Das derzeitige Stigma von Dynamic Pricing, Befürchtungen eines „Backlash“ durch die Kunden: All das wird sich mit der zunehmenden Verbreitung stark relativieren. Derzeit arbeitet in Österreich erst ein kleiner Teil der Skigebiete mit dynamisierten Preismodellen. In Zukunft wird wohl nicht mehr das „ob“, sondern vielmehr das „wie“ debattiert. Per Kristian Alnes hat genau zu diesem Thema dissertiert: Er zeigt beispielsweise, dass das Ausmaß der Preisunterschiede zwischen verschiedenen Teilzeiträumen die Wahrnehmung der Fairness seitens der Gäste beeinflusst und sich auf Verhaltensabsichten auswirkt. Die Darstellung (das Framing) der Preisunterschiede kann diese Effekte jedoch beeinflussen. Empfehlenswert ist die Masterarbeit DYNAMIC PRICING: Fairness-Wahrnehmung dynamischer Skipasspreise im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn von Angelika Erlbacher.
Entscheidend ist letztlich die subjektive Wahrnehmung der Gäste, was die Preiswürdigkeit der Leistung anbelangt — und nicht, ob methodisch „nur“ ein regelbasierter Frühbucherrabatt gewährt wird, ein nachfragebasierter Algorithmus den Preis bestimmt oder doch auch das Angebot (z.B. Pistenöffnung, Schneequalität) direkt einfließt. Mit den Kundendaten können jedoch Skigebiete erstmals selbst Qualitäts- und Kundenbindungsmanagement im großen Stil betreiben, zusätzliche Leistungen im eigenen Bereich verkaufen (z.B. VIP-Parken, Fast Lane), mit Rabattcodes zum Wiederbesuch anregen, Wintergäste auf das Sommerangebot hinweisen und umgekehrt; vor allem aber durch Sicherheit und Komfort sehr viel für die Kundenzufriedenheit tun.
Spannend wird auch, ob mittelfristig für Skigebiete überhaupt noch im großen Stil Kassen oder Zutrittssysteme erforderlich sind. Für die Kommunikation mit den Gästen zu Zwecken des Risikomanagements und der Besucherstromlenkung (z.B. Verständigung bei Teilschließung aufgrund von Sturm) sicherlich nicht.
Dynamic Pricing umfasst in Zukunft den gesamten Produktkatalog, auch verschiedene Saisonkarten. Da wird es stark auf den Kaufzeitpunkt ankommen, allenfalls mit sogenannten Blackout Dates differenziert. Das spült früh Liquidität ins Haus und ist Pricedumping durch Verkauf von stark preisreduzierten Kontingenten über Vertriebspartner wie Supermärkte oder Tankstellen vorzuziehen.
Bisher konnte sich kein Marktplatz für Liftkarten etablieren. Für andere Leistungen wie Ausrüstungsverleih mit 2beGROUP s.r.o. | ALPINRESORTS.com, Schneesportschule mit CheckYeti oder Information zu Angebot und Wetter mit bergfex GmbH gibt es bereits Plattformen. Strategisch von höchster Bedeutung ist, dass sich die Branche bei einem allfälligen Intermediär für die Kernleistung der Seilbahnen einbringt, seitens POOL-ALPIN Einkaufsgemeinschaft hat es schon entsprechende Vorarbeiten gegeben. Dynamic Packaging, wenn also zur Liftkarte auch andere Leistungen wie z.B. Unterkunft dazugekauft werden können, ist zwar grundsätzlich erstrebenswert, erhöht aber die Komplexität ungemein.
Teil 1: Preisdifferenzierung hat Tradition & Grundprinzip Dynamic Pricing